EGMR versus BVerfG

EGMR versus BVerfG

Weiteres Vorbringen und Ergänzen vorbehalten

Die Bundesrepublik Deutschland ist an die Europäische Menschenrechtskonvention gebunden, da deren Artikel 46 lautet: „Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in allen Rechts­sachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen.“

Der Europarat überwacht die nationale Umsetzung der noch nicht national befolgten Urteile zu Menschenrechtsverletzungen beim EGMR. In der aktuellen Liste der zu überwachenden Urteile u.a. zu Deutschland sind mit Stand Juli 2007 insgesamt 30 Verfahren u.a. aus dem Jahre 2003 noch nicht in Deutschland umgesetzt. [1]

In der Bundesrepublik Deutschland steht die Menschenrechtskonvention im Rang eines einfachen Gesetzes. Damit geht sie zwar landesgesetzlichen Bestimmungen vor, ist im Vergleich mit bundesgesetzlichen gleichartigen Regelungen allerdings dem „lex posterior“-Grundsatz unterworfen, könnte also unter Umständen hinter neueren gesetzlichen Regelungen zurücktreten. Da jedoch die Grundrechtsgewährleistung der EMRK weitgehend der des Grundgesetzes entspricht, hat das Bundesverfassungsgericht 1987 ausgeführt, dass andere gesetzliche Bestimmungen der Bundesrepublik (wie beispielsweise die Strafprozessordnung ) im Lichte der EMRK auszulegen seien. Dieser Auffassung folgen auch die oberen Bundesgerichte. Damit kommt de facto der EMRK im deutschen Recht zwar kein verfassungsrechtlicher, aber doch ein übergesetzlicher Rang zu.

Das Bundesverfassungsgericht hat im EGMR-Fall-Görgülü mit Beschluss vom 14. Oktober 2004, Az. 2 BvR 1481/04 [1], ausdrücklich die Pflicht der bundesdeutschen Gerichtsbarkeit zur „Berücksichtigung“ der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte festgestellt. Allerdings enthält der Beschluss vom 14. Oktober 2004 auch die Feststellung, dass Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht über dem Grundgesetz stehen. Das BVerfG geht in diesem Beschluss von einer weitgehenden, aber nicht absoluten Bindung deutscher Gerichte an die Entscheidungen des EGMR aus. Es stellt eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Berücksichtigung dieser Entscheidungen fest, d. h. eine Verpflichtung zur Auseinandersetzung mit einschlägiger Judikatur in Verbindung mit einer besonderen Begründungslast im Abweichensfalle: „Hat der Gerichtshof in einem konkreten Beschwerdeverfahren unter Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland einen Konventionsverstoß festgestellt und dauert dieser Verstoß an, so ist die Entscheidung des Gerichtshofs im innerstaatlichen Bereich zu berücksichtigen, das heißt die zuständigen Behörden und Gerichte müssen sich mit der Entscheidung erkennbar auseinander setzen und gegebenenfalls nachvollziehbar begründen, warum sie der völkerrechtlichen Rechtsauffassung gleichwohl nicht folgen.“ Die staatlichen Organe müssen also die Auswirkungen auf die nationale Rechtsordnung berücksichtigen, die Entscheidung in die nationale Rechtsordnung einpassen. Das soll besonders gelten, wenn ein in seinen Rechtsfolgen ausbalanciertes Teilsystem des innerstaatlichen Rechts betroffen ist und die beteiligten Rechtspositionen und Interessen im Beschwerdeverfahren vor dem EGMR möglicherweise nicht vollständig abgebildet waren. Jedoch befinden sich, die so urteilenden Richter im Widerspruch zum oben erwähnten Art. 25 GG. Die staatlichen Autoritäten, die in diesen Fällen agieren, ebenso.

Deutschland wurde laut Aussage der Verfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff im Humboldt Forum Recht ( ECtHR and national jurisdiction - The Görgülü Case ) bis Juli 2005 insgesamt 62 Mal wegen begangener Menschenrechtsverletzungen verurteilt. Gleichzeitig äußert Lübbe-Wolff das allgemeine Unverständnis der Fachleute zum obigen Urteil (RZ 32). Sie stellt fest, dass der Staat im Falle von Menschenrechtsverletzungen den vorherigen Zustand wiederherstellen müsse und im Falle, dass, wenn diese andauerten, der Staat diese stoppen müsse (Ziffer 16). In diesem Vortrag wird auch der Fall Sürmeli (RZ 34) erwähnt, dem ein Stillstand der Rechtserlangung vom EGMR attestiert wurde. Der Fall wurde im Juli 2006 vom EGMR entschieden. Dazu merkt Lübbe-Wolff an, dass Deutschland in diesem Fall schnell reagiert habe und einen Gesetzesentwurf schon im September 2006 vom Bundesjustizministerium vorgelegt habe, der diesen Fall heile. Es handelt sich jedoch dabei immer noch um den Gesetzesentwurf der Untätigkeitsbeschwerde, der jedoch bereits im August 2005 vorgelegt wurde.

Aufgrund eines Konfliktes zwischen dem EGMR und dem Bundesverfassungsgericht, wie er in der Zeitung Das Parlament vom 11.07.2005 beschrieben wurde, kam es in der Geschichte des Europarats zu einem beispiellosen offenen Widerstand eines nationalen Verfassungsgerichtes. Im selben Artikel wird auch die ehemalige Verfassungsrichterin Renate Jäger zitiert, die seit Herbst 2004 Richterin am Menschenrechtsgerichtshof ist.

„Vielleicht, mutmaßte Jäger, sei es manchen Ländern als "Nebeneffekt" der Überlastung des Gerichts ja gar nicht unlieb, wenn Menschenrechtsverstöße "nicht oder nicht zeitnah untersucht und gerügt werden". Möglicherweise gebe es bei Regierungen, die wegen Verletzungen der Menschenrechtscharta zu Schadensersatz verurteilt werden, einen "Abschreckungseffekt" - mit der Konsequenz, dass den Staaten "Verlangsamung, Stillstand und Leerlauf" eventuell nicht unwillkommen seien. ] (Siehe.....)

Dieser Konflikt wird auch deutlich im Falle der Dresdner- Waldschlößchenbrücke. Hier geht es im Zusammenhang mit der UNESCO um ein völkerrechtliches Vertragsregelwerk, dessen Erfüllung der Staat mittels Bundeszwang, gem. Art. 37 GG durchsetzen kann.

Im Juli 2007 hat der EGMR konstatiert, dass das Bundesverfassungsgericht nicht als wirksame Beschwerdemöglichkeit im Sinne des Artikels 13 der europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK):

„[…] so erinnert der Gerichtshof daran, dass die Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht nicht als wirksame Beschwerde im Sinne des Artikels 13 der Konvention angesehen werden kann und ein Beschwerdeführer demnach nicht verpflichtet ist, von diesem Rechtsbehelf Gebrauch zu machen, auch wenn die Sache noch anhängig ist (Sürmeli ./. Deutschland [GK], Nr. 75529/01, Rdnrn. 103-108, CEDH 2006-…) oder bereits abgeschlossen wurde (Herbst ./. Deutschland, Nr. 20027/02, 11. Januar 2007, Rdnrn. 65-66).“ (Siehe >>)

Auf der Webseite des Europarates können Sie sich problemlos eine Übersicht verschaffen, welche Fälle bzw. Urteile des EGMR noch nicht erledigt bzw. umgesetz sind, für den Geltungsbereicht des EGMR - es werden unter verschiedenen Links Word-Dokument, PDF und auch ein verkürztes Excel-Blatt angeboten. Auch wenn die Webseite auf Englisch ist, stehen auf dieser Seite Downloads ausschließlich mit unerledigten Fällen. Nach dem jetzigen Stand sind für Deutschland 32 Urteile noch nicht umgesetz - einfach mal ausprobieren:

http://www.coe.int/t/e/human_rights/execution/02_documents/1PPcasesExecution.asp#TopOfPage

Der Europarat stellt auch unmissverständlich fest, dass die mangelnde Umsetzung der Urteile, nach der Länge der Verfahren, das grösste Problem darstellt. Dies wird auch deutlich auf der Webseite des Bundeministeriums für Justiz. Es hat nicht nur den Anschein, als ob Bundesjustizministerin Zypries die Bürger informieren will, über die drängensten Herausforderungen mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Der erste Fall, der Fall Sürmeli wird nur in englischer Sprache angeboten, so, als ob nun plötzlich der Grossteil der etwa 82 Millionen Menschen in der Lage wären juristisches Englisch - fehlerfrei - zu übersetzen. Es muss also einen anderen Sinn haben, dass hier nur der englische Text angeboten wird. Das nächste Unding ist, dass die Webseite beim Europarat auch nur in englischer und französischer Sprache zur Verfügung stehen. So als ob dies die Sprache der Mehrheit der Bürger, die unter die Menschenrechtskonvention fällt, zu eigen wäre (Russland, Türkei, etc.).

Bei Bundesjustizministerin finden Sie dann dieses Bild:

http://www.bmj.de/enid/93e1befdf48c3a9d3adb03d89d538bf2,184db6305f7472636964092d0932363336/EGMR/Rechtsprechung_des_EGMR_t6.html